Lernobjekte beim E-Learning
Die Kaffeetafel-Analogie
Letzte Aktualisierung: 04. Juli 2005
Die folgende Analogie habe ich entwickelt, um mir selber den Verwendungsprozess beim Einsatz von Lernobjekten im E-Learning klarer zu werden. Die erste Version entstand im Rahmen des Projektes CampusContent Anfang April 2005, Anfang Juni habe ich das ganze nochmals überarbeitet, um es meinen aktuellen Erkenntnissen anzupassen.
Vorbereitung einer Kaffeetafel / eines E-Learning-Kurses
- Es gibt Menschen, die kaufen einen Kuchen, wenn Sie Besuch erwarten.
- Andere kaufen fertige E-Learning-Kurse oder mieten einen, wenn sie eine Lehrveranstaltung durchführen.
- Viele backen allerdings selber, besonders da Kuchenbacken auch immer leichter wird. Inzwischen lassen sich flüssige Kuchenteige kaufen, die nur noch in den Ofen geschoben, dort gebacken werden und abschließend verziert werden.
- Dies ist vergleichbar mit dem Kauf fertiger E-Learning-Einheiten, bei denen nur noch das Logo ausgetauscht wird.
- Viele Menschen finden diese Vorstellung, fast fertigen Kuchen zu verwenden, sehr seltsam - "das kann ich doch auch selber machen". Andere schwören jedoch auf diesen Prozess - "da kann einfach nichts schief gehen!".
- Diese Unterscheidung gibt es auch beim E-Learning - viele wollen lieber ihre eigenen Lernmaterialien erstellen, andere fertige Kurse als Lehrgrundlage verwenden.
- Betrachten wir doch mal die Personen, die einen Kuchen backen wollen. Diese werden wohl auch nicht auf die Idee kommen, das Getreide selbst zu mahlen, aus Milch Butter zu machen und Zucker aus Zuckerrüben zu pressen. Also werden Mehl, Butter und Zucker gekauft und daraus, mit weiteren Zutaten, ein Kuchen gemacht.
- Klingt selbstverständlich, aber am Beginn des E-Learning-Booms (und teilweise auch heute) programmierten viele ihre Lernsoftware oder Lernplattform selbst, um dann später damit E-Learning-Kurse zu erstellen.
Daher stellen sich die Fragen:
- Wo sollte also angefangen werden und
- wie "granular" (in kleinere Einheiten zerlegt) sollte alles sein?
Im Folgenden wird ein Vorgang an Hand eines Tagesausschnittes zur Kaffeezeit betrachtet. Dies geschieht analog zur Erstellung eines Kurses mit Lernobjekten (siehe Stichwörtern in Klammern) :
- Die Zutaten Mehl, Zucker, Butter und Eier sind Grundbestandteile (Medienobjekte) eines Kuchenteigs. Sie werden einzeln eingekauft (aus einem "Repository" ausgewählt). Mehl kann notfalls auch aus Getreide gemahlen werden (mit einem Entwicklungswerkzug produziert werden).
- Durch die Vermischung (Kombination mehrerer Medien) mit Hilfe eines Mixers (Autorenwerkzeug) wird aus ihnen ein Grundteig (Informationsobjekt).
- Die Hinzugabe von Backpulver oder Hefe (Lernziel) in einer Rührschüssel (Content-Sharing-System) macht den Teig (Lernobjekt) backfertig.
- Zusammen mit anderen vorbereiteten Backzutaten (didaktische Szenarios, Lernziel, Zielgruppe), wie geraspelte Schockolade oder kleingeschnittenes, gezuckertes Obst, wird der rohe Kuchen in den Backofen in der Küche (Content-Management-System) geschoben und zum Kuchen (Lektion) gebacken.
- Der fertige Kuchen wird zusammen Kaffee, Kakao und Geschirr (Lektionen) auf dem Eßtisch (Lernplattform) arrangiert. Gemeinsam mit dem Besuch (die Lernenden) wird der Kuchen genossen (Kurs) und der Kaffeeklatsch (die Interaktion) kann beginnen.
- Nach einem Bäuerchen (als eine positive Note) und dem Beseitigen aller Spuren in der Küche kann das Tageswerk (Studium) in der Wohnung (Universitätsverwaltungssystem) weiter vorangehen.
Anmerkungen:
- Die Zutaten zum Kuchen können altern und ungenießbar werden.
- Auch die Inhalte von Lernobjekten können ihre Aktualität verlieren oder sich gar als falsch herausstellen.
- Zutaten wie Rum oder Nüsse können zu Problemen führen und z.B. Allergien auslösen.
- Bei Lernobjekten bereiten verschiedene Aspekte aus Sicht der Diversität Probleme.
- Einige Zutaten zur Kaffeetafel lassen sich wiederverwenden (z.B. Löffel), der Kuchen nur am nächsten Tag und der Kaffee überhaupt nicht.
- Viele Lernobjekte lassen sich wiederverwenden, andere haben rechtliche Einschränkungen oder sind durch ihr properitäres Format nur eingeschränkt zu nutzen.
- Die meisten Elemente lassen sich ohne Probleme durch ähnliche ersetzen (z.B. silberne durch goldene Löffel).
- Auch lassen sich Inhalte aus einem Kontext durch Inhalte aus einem anderen Kontext ersetzen.
- Beim Kuchen läßt sich die persönliche Note einbringen, z.B. durch ungewöhnliche Backformen oder Verzierungen.
- Bei Lektionen und Kursen sollte auch die persönliche Handschrift der Lehrperson zu erkennen sein.
- Beim Backen spielen Regeln eine große Rolle, seien es Normierungen bei der Erstellung der Zutaten, das Backrezept oder Hygienevorschriften. An der Kaffeetafel spielen dann Verhaltensregeln, mehr oder weniger, eine Rolle (siehe Knigge).
- Beim E-Learning mit Lernobjekten spielen verschiedene Normen eine Rolle (LOM, IMS-LDS, DIN-DOM).
- Manches wie Kaffee kann immer wieder neu zusammengesetzt werden, anderes wie Löffel kann nicht geändert werden.
- So können Texte mit Bilder umformuliert werden, während sich ein Video oder eine aufwendige Flash-Animation kaum ändern lassen.
Ich denke, einige wichtige Aspekte des Lehrens mit Lernobjekten sind hier aufgegriffen worden.
Über Anmerkungen und Kommentare würde ich mich freuen!
_____
© 2005 marc jelitto, marc@evaluieren.de